Die Corona-Krise hat einen starken Einfluss auf die gesamte Weltwirtschaft und nur wenige Wirtschaftssektoren bleiben davon verschont. Auch an der Werbebranche zieht diese schwierige Zeit nicht spurlos vorbei.

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, kurz ZAW, rechnet derzeit mit einem Rückgang von mindestens 40% für den April für die Werbebranche. Viele Produktionen und Kampagnen sind eingestellt worden, die Marketing-Budgets vieler Unternehmen wurden umgeschichtet.

Besonders betroffen sind dabei die Bereiche Kinowerbung und die Vermarktung von Sportevents, darunter vor allem die Fußball-EM und Olympia. 

Auch das Influencer-Marketing muss während der aktuellen Corona-Krise mit hohen Einbußen für das laufende Jahr rechnen. Wie stark diese Einschnitte ausfallen, lässt sich bisher noch nicht prognostizieren – eine Studie der US-amerikanischen Influencer Marketing Agentur Izea geht momentan von von einem Umsatzrückgang von 15 bis 25 Prozent der Influencer aus. 

Zusätzlich zeigt sich deutlich, dass sich Marken und Influencer jetzt mehr denn je sehr bewusst Gedanken machen müssen, wie sie genau agieren. Eine Kommunikation wie vor der Corona-Zeit und plumpe Produkt-Kampagnen mit Rabatt-Codes werden gerade jetzt sehr kritisch von den Followern noch viel kritischer beäugt, denn sie passen nicht in diese Zeit der Selbstreflexion, Solidarität und Unsicherheit. 

Influencer haben Existenzängste

Manche Influencer haben aktuell die gleichen finanziellen Sorgen wie andere Freiberufler auch. Vollberufliche Influencer haben meist zwar viele Follower, viele von ihnen sind dennoch Normalverdiener. Einfach mal einen Gang herunterschalten, das geht in dieser Branche nicht. Als Influencer kann man nicht einfach Kurzarbeit machen, denn wenn sie nicht regelmäßig Content produzieren und hochladen, werden sie vom Algorithmus der verschiedenen Plattformen abgestraft. Wenn der Content dann nicht mehr auf der Startseite oder in den Empfehlungsleisten auftaucht, wird er deutlich weniger geklickt, und damit werden die Influencer weniger interessant für neue Werbepartner. Das könnte existenzgefährdend werden. 

Ann-Kathrin Schmitz, Dozentin für Medienmanagement, Unternehmenskommunikation und Journalismus an der HMKW in Frankfurt und selbstständige Beraterin im Bereich Social Media- und Influencer-Marketing, schildert ihre Eindrücke in einem achtminütigem Video mit dem Titel “Influencer Marketing in der Corona Krise – Wie schlimm sind Influencer wirklich finanziell betroffen?”

Durch die Absage von Events, wie bspw. dem Coachella Festival, den About You Awards oder Produkt-Launch-Events,  sowie die Absage vieler Werbedeals mit Unternehmen brechen ihnen jetzt Umsätze weg, die sie sonst durch ihre Anwesenheit und Storytelling generieren könnten. Wenn all diese Veranstaltungen und Werbedeals am Ende des Jahres nachgeholt werden, wäre laut Ann-Kathrin Schmitz die Werbebelastung für die Accounts der Influencer viel zu hoch, dementsprechend bleiben insgesamt Umsätze aus. 

Zusätzlich ist der häufig eher exklusive Lebensstil vieler Influencer mit der aktuellen Situation, in welcher es vielen Menschen weltweit nicht gut geht – ob gesundheitlich, finanziell oder weil sie Sorgen haben, nicht einfach in Einklang zu bringen. Als Beispiel wurden die Influencer Sarah und Dominic Harrison stark von ihren Followern, aber auch zum Beispiel von Oliver Pocher, kritisiert, weil sie trotz Corona Gute-Laune-Videos aus ihrem Urlaub in Dubai gepostet haben.  

Chancen durch die Corona-Krise 

Die Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V. (agof) sieht die Corona-Krise jedoch auch als Chance, denn sie treibt die Digitalisierung voran. Durch die zwanghafte Digitalisierung des Mittelstands fließt von diesen Unternehmen auch wieder Budget in das Influencer Marketing. 

Zusätzlich dazu steigt in den Zeiten von Social Distancing auch das Bedürfnis der Communitys nach Unterhaltung, denn viele Menschen kompensieren den fehlenden sozialen Kontakt mit sehr viel mehr Zeit in den sozialen Medien. Laut einer Studie von Intermate stiegen Reichweite und Impressionen der von den Influencern verbreiteten Werbebeiträge sogar um drei Prozent innerhalb des Untersuchungszeitraums.

Die Influencer stehen also unter Innovationsdruck, denn sie müssen neue Formate finden, die zu ihnen passen und die auch in Zeiten von Corona funktionieren. Durch vermehrtes Storytelling kann die eigene Community jedoch enger zusammenwachsen und angepasste Werbeposts werden akzeptiert und angenommen.

Wichtig ist hierbei vor allem Sensibilität und Haltung, d.h. bereits produzierte Kampagnen müssen eventuell angepasst werden – immer mit Rücksicht auf die aktuelle Lage. Das kann unter Umständen für Unternehmen aus dem Mittelstand einen enormen Aufwand darstellen. Andererseits sollte Marken nicht zu lange zögern oder die Kommunikation über soziale Medien oder Influencer ganz abschreiben. Nach wie vor erreicht man die jüngeren Zielgruppen über diese Kanäle so gut wie über kaum einen anderen Weg. Es müssen also neue Ideen her, wie Situation und Ziel der Kampagne in Einklang gebracht werden können. Ein Beispiel wäre die Konzentration auf die aktuelle Solidarität, was als Folge einen positiven Imagetransfer haben könnte. 

Wie relevant Influencer Marketing in der derzeitigen Krise sein kann, zeigt auch ein Blick nach Finnland. Die finnische Regierung arbeitet sehr eng mit Influencern zusammen und kommuniziert, dass sie entscheidende Akteure für die Gesellschaft sein können. Sie bieten den Vorteil, dass sie Botschaften schnell in wichtigen Zielgruppen verbreiten können, denn sie können auf hohem Niveau mit verhältnismäßig geringem Einsatz von Ressourcen Bilder und Content produzieren. Ausschlaggebend sind dabei vor allem die Autorität und Seriosität der Influencer. 

Die Krise hat bisher auf jeden Fall bewiesen, dass Influencer Marketing eine strategische Disziplin ist und kein reiner Performance-Kanal. 

Die derzeitige Situation ist eine gute Gelegenheit, neue Dinge einzuführen und ein guter Moment, am Image zu arbeiten – egal ob als Marke oder Influencer.