Die hochdynamische Ausbreitung der Coronavirus-Infektionen hat neben den Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft auch große Auswirkungen auf den Sport weltweit. 

Einnahmeverluste, abgebrochene Trainingslager, Absagen von Qualifikationswettkämpfen für Olympia, veränderte oder gestrichene Trainingszeiten – derzeit werden viele SpitzensportlerInnen durch das Coronavirus vor große Herausforderungen gestellt. 

Wir haben drei verschiedene Spitzensportler zu der aktuellen Situation befragt und wie sich die aktuelle Krise auf ihr Leben auswirkt.

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Sam Schachter – kanadischer Beachvolleyballprofi, Platz 18 im olympischen Ranking des Beachvolleyball-Weltverbands (wäre aktuell qualifiziert)

Wie ist die aktuelle Situation für dich?
Es ist eine völlig neue Erfahrung für uns – etwas was wirklich niemand erwartet hat und worauf niemand vorbereitet war. Ich bin in letzter Zeit viel gereist, so dass ich mich jetzt für die nächsten zwei Wochen in Selbst-Isolation befinde. Momentan macht es aber eh keinen großen Unterschied, weil unsere Trainingseinrichtungen und das Fitnessstudio sowieso geschlossen sind.

Wie hältst du dich stattdessen fit?
Was das Training betrifft, müssen wir kreativ werden. Ich habe das Glück, dass die heutige Technologie es mir erlaubt, auch aus der Distanz mit meinem Trainer in Kontakt zu bleiben. Der kennt sich mit Heimtraining gut aus. So kann ich trotzdem noch an meiner Ausdauer, Geschwindigkeit und Explosivität arbeiten. 

Ich bin außerdem sehr dankbar, dass meine Freundin ebenfalls Volleyball spielt, so dass wir wir hin und wieder im Garten spielen können. Da haben wir auch noch einen Basketballkorb… Vielleicht fange ich bald damit an, Aufschläge gegen das Brett zu spielen. 

Ansonsten arbeite ich mit Meditations- und Visualisierungsübungen sowie Videoanalysen an meiner mentalen Stärke. Ich kann zwar momentan nicht spielen, stelle mir aber regelmäßig vor wie ich im Sand stehe und spiele. Es ist wichtig, geistig fit zu bleiben..

Würdest du die Olympischen Spiele verschieben oder absagen?
Die endgültige Entscheidung soll die WHO treffen. Bei allem Respekt für uns als Athleten ist es viel wichtiger, Leben zu retten. Ich würde nie etwas tun wollen, was das Leben eines anderen Menschen gefährden könnte. Selbst wenn die Olympischen Spiele ohne Publikum stattfinden würden, muss man immer noch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Sportler berücksichtigen.

Ich hoffe, dass die Entscheidung möglichst zeitnah getroffen wird. Unser Trainingsplan ist schon lange im Voraus ausgearbeitet und darauf ausgerichtet, im August die Höchstform zu erreichen. Wenn wir Änderungen vornehmen müssen, brauchen wir auch genügend Zeit, um uns daran anzupassen. 

Was würde es für Dich bedeuten, wenn die Olympischen Spiele abgesagt würden?
Das wäre furchtbar. Wir haben vier Jahre lang auf dieses Ziel hingearbeitet, und für einige von uns ist dies die letzte Chance, an den Spielen teilzunehmen. Unser ganzes Leben dreht sich um den Sport. Es wirkt sich sogar auf die Familienplanung aus: Sportlerinnen müssen planen, in welchem Jahr sie schwanger werden können und männliche Athleten, wann sie für ihre Familie da sein können. 
Seien für eine Minute optimistisch und gehen davon aus, dass die Spiele stattfinden könnten. Dann bleibt immer noch die Frage, wie die Qualifikation zu Ende geführt werden kann, da bereits viele Wettkämpfe abgesagt wurden. Welche Lösung würdest du vorschlagen?
In der aktuellen Olympia-Rangliste wären Sam und ich gerade so qualifiziert. Wenn Ihr mich fragt, dann sollten wir die Rangliste so einfrieren, wie sie ist – aber ich bin da natürlich voreingenommen. Im Ernst, ich bin froh, dass ich die Entscheidung nicht treffen muss, denn irgendjemand wird sicherlich enttäuscht sein, egal welche Lösung letztlich gefunden wird.

Wie wirkt sich die Situation finanziell auf Dich aus?
Auch finanziell sind es für uns schwierige Zeiten. Im Gegensatz zu anderen Nationen ist Kanada kein Land, das über eine gute Sponsoring-Infrastruktur für Beachvolleyball verfügt. Wir erhalten außerdem außer Flug-Credits keine finanzielle Unterstützung von unserem Verband. Die Haupteinnahmequellen sind die Preisgelder, die in den nächsten Monaten wegfallen. Meine sekundäre Einnahmequelle ist das Coaching, das auch nichts einbringt, so lange die Trainingsplätze geschlossen sind. 

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Max Hartung – Präsident der Vereinigung Athleten Deutschland und deutscher Säbelfechter, wäre Stand jetzt für Olympia qualifiziert

Würdest du zum jetzigen Zeitpunkt an den olympischen Spielen teilnehmen?
Die Qualifikation im Fechten ist noch nicht vorbei. Momentan sieht es so aus, dass ich qualifiziert wäre. Aber wir sind jetzt erstmal eine Woche alle zuhause und verfolgen die Nachrichten. Wir machen uns Gedanken um unsere Mitmenschen, um ältere Leute, die eigenen Großeltern. Die Frage, ob wir bei den olympischen Spielen mitmachen, die rückt gerade leider mehr und mehr in den Hintergrund. 

Update: Im Aktuellen Sportstudio am 21.03.2020 hat Max bekannt gegeben, dass er nicht bei Olympischen Spielen in diesem Sommer teilnehmen würde, obwohl er sich sportlich qualifiziert hat.

Was würde es für dich bedeuten, wenn die olympischen Spiele verschoben werden oder ausfallen?

Das sind natürlich zwei verschiedene Sachen. Eine kurzfristige Verschiebung wäre unangenehm, aber da könnte man sich vielleicht darauf einstellen. Wenn die Spiele nach einer fast zweijährigen Qualifikation ausfallen würden, wäre das für mich persönlich und für ganz viele andere Sportler wirklich schlimm. Wir haben schon so viel Energie in die Vorbereitung gesteckt – wenn die dann nicht zum Höhepunkt hin eingesetzt werden könnte, wäre das wirklich traurig.

Welche Auswirkungen hat das Coronavirus auf deinen aktuellen Trainings- und Wettkampfplan?
Aktuell hat der Weltverband FEE für 30 Tage alle internationalen Wettkämpfe ausgesetzt. Das bedeutet für uns erstmal eine Woche Ferien. Die Trainingsmöglichkeiten sind auch eingeschränkt. Ich warte jetzt erstmal die Woche ab, bleibe weitestgehend zuhause und schaue dann, ob ich einen Platz zum trainieren finde. 

Ich versuche natürlich weiterhin mich so vorzubereiten, als würden die Olympischen Spiele im Sommer stattfinden. Aktuell müssen wir wirklich von Tag zu Tag, von Woche zu Woche neue Pläne machen. 

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Max Hoff, deutscher Kanute – Olympiasieger in Rio de Janeiro

Welchen Einfluss hat das Coronavirus auf deinen Trainings- und Wettkampfplan?
Aktuell ist es nicht möglich, richtig zu trainieren. Viele meiner Teammitglieder befinden sich sogar in häuslicher Quarantäne.

Es gibt beim Olympiakader bestimmt noch ein paar, die eine Sondergenehmigung fürs Training haben, aber auch das ist sehr eingeschränkt. In Essen ist alles gesperrt, d.h. man trainiert irgendwie zuhause im eigenen Wohnzimmer, oder man packt das Boot aufs Autodach und springt irgendwo ins Wasser. Alles ist sehr provisorisch und hat nichts damit zu tun, dass man gerne Olympiasieger werden möchte.
Die erste Qualifikation wurde abgesagt und auch die zweite Quali wird eine Woche nach Ostern sicherlich nicht stattfinden. Das sind die nationalen Qualifikationen, über die wir dann normalerweise im Mai zu den Weltcups gekonnt hätten. Die sind ebenfalls ohne Alternativtermin abgesagt. Die Trainingspläne machen also momentan gar keinen Sinn, das muss alles neu gemacht werden und dann werden wir weitersehen.

Denkst du eine Absage oder eine Verschiebung der Olympischen Spiele ist besser?
Ich kann mich ehrlich gesagt mit beiden Optionen nicht wirklich anfreunden. Bevor die Spiele ganz abgesagt werden, ist mir eine Verschiebung lieber – mit oder ohne Zuschauer. 

Man muss abwägen, ob eine solche Großveranstaltung in der näheren Zukunft mit Zuschauern überhaupt möglich ist. Wenn nicht, dann kann man durchaus darüber nachdenken, dass man die Spiele um ein Jahr verschiebt. Aber ich bin mir auch da nicht so sicher, was mir da lieber wäre – ohne Zuschauer diesen Sommer oder nächstes Jahr mit Zuschauern. Ich fände es schade, wenn es generell abgesagt oder ersatzlos gestrichen wird. 

Was bedeutet es für dich persönlich, wenn die Spiele verschoben werden?
Ich bereite mich seit vier Jahren auf die Olympischen Spiele vor und habe all meine Trainingspläne auf dieses Ziel ausgerichtet. Eine Verschiebung ist daher schwierig. Andererseits ist die Situation für alle Athleten gleich. Wir müssen uns alle damit abfinden und einen Weg finden.

Ganz ehrlich, es gab schon mal bessere Zeiten, für alle von uns. Auch für Leute, die nicht Sport treiben. Von daher hoffe ich, dass wir das wieder hinkriegen.