Zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte hat Bayer Leverkusen unter Xabi Alonso 2023/24 die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Bei allem Respekt davor, die Dominanz der Münchner Bayern nach so langer Zeit gebrochen zu haben, gibt es vor allem aus Fankreisen immer wieder Kritik daran, dass die Meisterschaft nur durch das Engagement der Bayer AG möglich geworden ist. Doch ist das wirklich so?

Wie viel Geld erhält Bayer Leverkusen von der Bayer AG?

Nach Brancheninformationen investiert die Bayer AG seit vielen Jahren relativ konstant einen Betrag von etwas 25 Millionen Euro pro Saison in das Sponsoring von Bayer 04 Leverkusen. Das klingt viel – ist es auch. Doch ist es wirklich so ein Game-Changer, dass Bayer nur dadurch Meister werden konnte?

Bei genauem Hinsehen muss man auch berücksichtigen, dass die Bayer AG einiges an Gegenleistungen vom Verein erhält. Im Gegenzug für das Sponsoring erhält sie das Namensrecht (“Bayer 04 Leverkusen”), das Stadion-Namensrecht (“BayArena”) sowie erhebliche werbliche Präsenz im Stadion und auf sozialen Medien. Zusätzlich dürfte sicherlich auch ein Teil der 26 Logen im Stadion als Gegenleistung an Bayer zur Verfügung gestellt sein. Unterm Strich sind 25 Millionen Euro für ein solches Namenspaket bei einem Top-Verein in einer der erfolgreichsten europäischen Ligen ein absolut marktüblicher Preis.

Dazu kommt, dass diese Leistungen für den Verein nicht umsonst sind. Wenn der Stadion-Name, die LED-Banden und die Logen an Bayer gehen, können sie nicht anderweitig vermarktet werden. Laut kicker erhält Leverkusen für das Stadion-Namensrecht 3,0 Mio Euro von Bayer. Wenn mann berücksichtigt, dass Hoffenheim für die “PreZero-Arena” 4,5 Mio Euro pro Jahr erhält, ist dieser Wert sogar eher niedrig angesetzt. Über den Wert des LED-Bandenpakets, der Logenplätze und der sonstigen Werbeleistungen liegen uns keine Informationen vor, dieser dürfte aber wahrscheinlich ungefähr im Bereich von mindestens einer halben Mio. Euro liegen.

Auch die übermäßige Sichtbarkeit von Bayer, vor allem im Stadionnamen, senkt den Markenwert und damit die Vermarktungserlöse des Vereins. Obwohl Leverkusen seit 1979 ununterbrochen in der Bundesliga spielt, wird der Verein bei vielen immer noch nicht als Traditionsverein akzeptiert. Die letzten Meisterschaft regional nahe liegender Vereine wie Borussia Mönchengladbach (1977) , der 1. FC Köln (1978) und Düsseldorf (1933) liegen allesamt weiter zurück als der Aufstieg Leverkusens ins Oberhaus – dennoch werden sie, vor allem im Verhältnis zum sportlichen Erfolg, als attraktiver wahrgenommen und haben dementsprechend proportional mehr Fanpotenzial und Vermarktungs- und Merchandisingerlöse. Es wird spannend, zu sehen, wie sich die Meisterschaft Leverkusens in Zukunft auf das Markenbild des Vereins auswirken wird. Dennoch halten wir es bei rückblickender finanzieller Bewertung für angebracht, 7,5 Mio. Euro pro Saison an “nicht ausgeschöpftem Markenpotenzial” anzusetzen; davon ordnen wir 2,5 Mio. mit Blick auf das sportlich weniger erfolgreiche Hoffenheim auf dem nicht gewinnmaximiert verkauftem Stadionnamen zu.

Zieht man die Beträge ab, verringert sich der Wert des “reinen” Naming-Rights wie folgt:

Sponsoring-Erlös durch Bayer AG25,0 Mio. Euro
davon für Stadion– 3,0 Mio Euro
zusätzliches Potenzial Stadionname– 2,5 Mio Euro
weitere Werberechte– 0,5 Mio Euro
veringertes Vermarktungspotenzial– 5,0 Mio Euro
Reinerlös durch Naming-Right:14,0 Mio Euro

Unterm Strich bleibt nur für den Verkauf des Namensrechts eine durchaus angemessene Summe von etwa 14 Mio. Euro. Das ist zwar immer noch ein ordentlicher Betrag, bei weitem aber nicht genug, um mit massiven Investments in den sportlichen Bereich einen Titel zu “kaufen”. Um es ins Verhältnis zu setzen: Laut Kicker hat Bayer Leverkusen in der Saison 2021/22 einen Umsatz von 271,3 Mio Euro erzielt – der Wert des Naming-Rights trägt dazu gerade einmal 5% bei.

Wie hat Bayer 04 Leverkusen seine Meisterschmannschaft finanziert?

Die Meistermannschaft hat Leverkusen vor allem aus zwei Quellen finanziert: Durch schlaue Transfers und Einnahmen aus internationalem Wettbewerb. Der Abgang von Diaby zu Aston Villa hat laut Transfermarkt.de einen Erlös von 55 Mio. Euro gebracht; Leon Bailey (ebenfalls zu Aston Villa) erlöste 21/22 32 Mio. Euro und Kai Havertz (zu Chelsea) ein Jahr zuvor sogar 80 Mio. Euro. Dieses Geld hat Sportdirektor Simon Rolfes clever in den Kader reinvestiert. Leistungsträger wie Boniface (20,5 Mio. Euro), Xhaka (15 Mio. Euro), Hofmann (10,0 Mio. Euro) und Palacios (21,5 Mio. Euro) waren im Vergleich zum aktuellen Marktwert alle relativ günstig, und Top-Talent Wirtz wurde 2020 als Jugendspieler für gerade einmal 200.000 Euro vom Lokalrivalen 1. FC Köln abgeworben (was von den Kölnern als unfair wahrgenommen wurde). In den letzten fünf Jahren hat Leverkusen zusammengerechnet gerade einmal 55 Mio. Euro mehr für Transfers ausgegeben als eingenommen – für einen Spitzenverein ist das ein eher niedriger Wert. Borussia Mönchengladbach hat zum Beispiel im selben Zeitraum ungefähr das gleiche Transferminus erzielt.

Wer den Hauptgrund sucht, warum Leverkusen die Vereine im Umfeld so sehr abgehängt hat, muss zur UEFA schauen. Durch die immer mehr internationalen Spiele kann die UEFA jedes Jahr mehr Fernseheinnahmen generieren und als Prämie an Europapokal-Teilnehmer ausschütten. Dadurch weitet sich die Schere zwischen international spielenden Clubs und den anderen Vereinen immer weiter aus. 2022 erhielt Leverkusen beispielsweise für das Erreichen des Europa-League-Achtelfinales stattliche 20 bis 22 Mio. Euro, mit einem möglichen Europa-League-Sieg diese Saison würde der Betrag sogar noch deutlich höher ausfallen.

Dass sich der internationale Wettbewerb lohnt, kann man Leverkusen jedoch kaum vorwerfen. Letztlich muss man konstatieren, dass von der Vereinsführung über den Trainer bis zur Mannschaft überall hervorragende Arbeit geleistet wurde und der Titel mehr als verdient gewonnen wurde.


Foto von Jude Allenby-Dos Santos auf Unsplash